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Quelle: RosZie (Pixabay)
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bfb nachgefragt: Anforderungen an Digitale Barrierefreiheit

Ein Interview mit Jan Hellbusch von Hellbusch Accessibility Consulting
zuletzt editiert am 18.01.2024

bfb: Welche digitalen Hürden begegnen Ihnen im Alltag? Was sind typische Herausforderungen für Menschen mit Einschränkungen bei der Nutzung nicht barrierefreier Websites?

Jan Hellbusch: Die Barrieren sind vielfältig. Es ist immer davon abhängig, mit welcher Behinderung eine Person ins Internet geht. Menschen mit Sehbehinderungen bedürfen vielleicht starker Kontraste, während jemand mit einer motorischen Einschränkung alles mit der Tastatur bedienen muss. Die Barrieren auf Webseiten sind subjektiv geprägt.

Ich bin beispielsweise blind und muss einen Screenreader nutzen, um Inhalte zu lesen und zu bedienen. Die zwei wichtigsten Aspekte bei der Nutzung einer solchen Software sind verfügbare Texte und vernünftige Strukturen. Bilder benötigen beispielsweise Alternativtexte oder Formularelemente benötigen Beschriftungen. Ebenso wichtig ist die Strukturierung von Inhalten mit Absätzen, Überschriften oder Listen. Darüber hinaus sind dynamische Komponenten (z.B. Reiternavigationen, Menüs oder sortierbare Tabellen) oft inkorrekt aufgebaut.

bfb: Für sehende Menschen ist es schwer nachzuvollziehen, wie insbesondere Menschen mit Blindheit klassische Websites nutzen? Können Sie das kurz für uns erklären? Und welche Möglichkeiten gibt es, Inspirationen oder auch Emotionen zu vermitteln, wozu ja häufig Bildsprache oder Farben genutzt werden?

Jan Hellbusch: Wenn ein Browser eine Seite anzeigt, schreibt er auch einige Daten in eine Schnittstelle des Betriebssystems (Accessibility-Tree). Dort können die Strukturen und die Texte von Inhalten abgelesen werden. Der Screenreader verarbeitet diese Daten und stellt eine eigene Benutzungsschnittstelle bereit, um diese Inhalte zu lesen, zu navigieren oder auf anderer Weise damit zu interagieren.

Wenn Bilder oder Farben im Webdesign eingesetzt werden, müssen diese verbalisiert werden. Für Bilder gibt es die Möglichkeit, den Grafiken Alternativtexte beizufügen. Wenn Sie eine Emotion vermitteln, dann muss diese mit im Alternativtext berücksichtigt werden. Aber wenn Farben und andere Gestaltungen eine Information oder eine Emotion vermitteln, müssen andere Wege beschritten werden.

Manche Informationen können mit Attributen angegeben werden. Eine Hervorhebung in einer Navigation kann beispielsweise mit einem aria-current-Attribut gekennzeichnet werden. Solche Möglichkeiten sind allerdings beschränkt.

Farbwelten müssen beispielsweise mit Texten ergänzt werden. Wenn Sie einen grünen und einen roten Bereich haben, muss die Bedeutung der Farbe in Textform bereitstehen. Oft wird dieser Aspekt durch den Kontext vermittelt, aber nicht immer.

bfb: Komplexes Fachwissen vermitteln wir in unseren Medien häufig mit Hilfe von detaillierten technischen Zeichnungen, Diagrammen o.ä. Dabei geht es auch darum zu ausführliche und ggf. wenig verständliche Erklärungen zu vermeiden, nach dem Motto „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte“. Wie könnten solche Inhalte (z.B. komplexe Bauzeichnungen) auch für Menschen mit Einschränkungen barrierefrei transportiert werden?

Jan Hellbusch: Auch bei komplexen Bildern haben Sie nur die Möglichkeit einer textlichen Beschreibung. Der Alternativtext ist dabei nicht gut geeignet, weil der Alternativtext keine Strukturen wie Absätze, Datentabellen oder Überschrift erlaubt. Stattdessen müssen sogenannte lange Textalternativen bereitgestellt werden. Die verfügbaren Beschreibungen können z.B. als ausklappbare Bereiche neben dem Bild platziert oder als barrierefreier Download zur Verfügung gestellt werden.

bfb: Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Stellschrauben für mehr Digitale Barrierefreiheit? Welche einfach umzusetzenden Maßnahmen empfehlen Sie allen Websitebetreibenden?

Jan Hellbusch: Es gibt vier Aspekte, die im Mittelpunkt stehen müssen:

  • Alternativtexte für Bilder
  • Strukturen für alle Inhalte
  • Tastaturbedienung
  • Korrekte Auszeichnung von Komponenten (Rollen und Namen)

Es gibt natürlich viele weitere Aspekte der Barrierefreiheit, die umgesetzt werden müssen, teilweise auch „low hanging fruits“ und teilweise Dinge, die Sie bereits umsetzen. Die Angabe der Sprache oder hilfreiche (statt allgemeine) Fehlermeldungen in Formularen sind Beispiele dafür. Am Ende des Tages müssen Sie aber die vier obengenannten Kernanforderungen im Griff haben.

Das heißt nicht, dass Kontraste oder abschaltbare Animationen oder Untertitel für Videos weniger wichtig sind. Im konkreten Fall können nicht erfüllte Anforderungen eine Webseite unzugänglich machen, wenn sie nicht richtig umgesetzt werden. Wenn Sie beispielsweise ein Video online stellen, dann werden sie sich gelegentlich mit Untertiteln beschäftigen müssen. Bilder, Texte und Komponenten, die tastaturbedienbar und korrekt ausgezeichnet werden müssen, kommen hingegen häufiger bei Updates auf Websites vor.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

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Tanja Buß

Tanja Buß

Leitung Programm bfb, Geschäftsfeld barrierefrei bauen RM Rudolf Müller Medien GmbH & Co. KG +49 221 5497-110

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